Die „Bierquelle“

Der Bulli - Foto: InsaPictures/pixabay.com
Der Bulli – Foto: InsaPictures/pixabay.com

Der Bulli - Foto: InsaPictures/pixabay.comEs war ein VW Bulli. Geschlossen. Das bedeutet: Keine Fenster an den Seiten. Farbe Blau, Rot und etwas weiß. So habe ich ihn in Erinnerung. An den Seiten hatte er die Aufschrift: „Bierquelle“. Alle Farben waren sehr verschossen, so richtig grau hinterlegt.

Ich war 16 Jahre alt und Spielführer der B-Jugend des RSV Altenbögge-Bönen. Die Mannschaft bestand aus etwa 10 Leuten, die unterschiedliche Qualitäten hatten. Die meisten von ihnen konnten Handball spielen – glaubten sie zumindest.

Ich übrigens auch. Zwei Jahre zuvor hatte Franz Istel mich von einem Schulhandballspiel in Unna nach Hause gefahren und angefragt, ob ich beim RSV nicht einmal so „etwas Richtiges“ machen will. — Wollte ich. In diesen zwei Jahren habe ich mir den rechten oberen Winkel vom Handballtor ins Visier genommen, Nachbarn und deren Schulkollegen (die kamen alle aus Bönen) eingespannt und irgendwie eine Handballmannschaft „gebaut“. Hat funktioniert. Allerdings kamen die Eltern nicht so richtig „aus dem Quark“. Mein Papa aber doch. Alfred heißt er (und wird 2020 jetzt 90 Jahre alt). Sie nannten ihn „Apitz“ – und ich dann auch, war irgendwie passend. Einige sagten auch „Tetzlaff“ zu ihm oder „Tetze“ – passend zu einer parallel laufenden Fernsehsendung. Alles nicht schlimm.

Schlimm war dieses Auto, der Bulli eben.

Er hat es nämlich gekauft. Ich kann mich noch genau an dieses – wie soll ich sagen? – Augenzucken meiner Mutter erinnern, als der Fehlbestand an Autos seitens der Elternschaft im Handballverein für Auswärtsfahrten durch diesen Bulli ausgeglichen werden sollte.

Mein Papa – „Apitz“ eben – war ziemlich schmerzfrei. Das war es aber noch lange nicht. Da waren nämlich keine Sitze drin! – Kurzerhand haben wir mit der ganzen Mannschaft eine Aktion gestartet, die an den Straßen entlang führte: „Sperrmüllabfuhr“. – Die fand damals noch zu festen Terminen in der ganzen Gemeinde statt. Genau da haben wir uns eingeklinkt und Matratzen (!) eingesammelt.

Ruuuhig, Leute! Das war nichts Besonderes. Matratzen aus dem Kontingent der Sperrmüllabfuhr war damals eine echte Devise: Wir hatten Partyräume ohne Ende, aber keine Sitzgelegenheiten. Die haben wir auf Partys dann eben genau mit diesen sehr preisgünstigen Gebrauchtpolstern eingerichtet. Eine unten für den Po, eine im Rücken. Und wenn es dann zur Sache ging, war es relativ egal, wo man gerade lag (oder saß).

Ach ja, ich vergaß:

Der Bulli. Auch ihn hatten wir mit Matratzen ausgelegt. Vier Kisten Bier und eine Kiste Wasser in der Mitte; davor, daneben und dahinter jeweils Matratzen. Hinten vor dem Heckfenster noch zwei, auf denen Olaf sich breit machte.

Tja; und dann:

Auf nach Hannover; dort hatten wir ein Turnier zu absolvieren. Auf der Fahrt schon schälte sich heraus, dass eben diese eine Besondere war: Olaf lag im Heck auf den letzten beiden Matratzen und schickte jedem Überholten und Überholenden einen „Victory-Gruß“ (gestreckter Zeige- und Mittelfinger) hinüber; die Mannschaft hatte sich fast komplett im Bulli niedergelassen. Ich saß auf dem Beifahrersitz; mehr mit gemischten Gefühlen, und am Steuer: „Apitz“.

110 km/h machte die „Bierquelle“ maximal; mit 60 PS und 9 Insassen eher weniger. – Mein Vater kam vom Bau…

… und auf dem Gaspedal lag ein Kalksandstein, der die 110 km/h (fast) hielt.

Das Turnier haben wir dann übrigens gewonnen.

… und die „Bierquelle“ durfte ich später noch durch unseren Garten lenken, um mich auf die Führerscheinprüfung vorzubereiten.